Gemeinsame Meldung Polizei und Staatsanwaltschaft Berlin
Nr. 2556
In den vergangenen Tagen sind Ermittlerinnen und Ermittler von Polizeifachdienststellen aus acht europäischen Ländern in einem gemeinsamen Schwerpunkteinsatz gegen mutmaßliche Betrügerinnen und Betrüger vorgegangen, die mit Hilfe des sogenannten „Enkeltricks“ andere Menschen um ihr Erspartes bringen. Der Verbundeinsatz von Polizeibehörden aus 15 Bundesländern, des Bundeskriminalamts, aus Luxemburg, Österreich, Polen, der Schweiz, der Slowakei, Tschechien und Ungarn sowie von Europol erfolgte im Auftrag der zuständigen Fachabteilungen der jeweils verantwortlichen Staatsanwaltschaften. Koordiniert und geführt wurden die Maßnahmen im Zeitraum vom 25. November bis zum 6. Dezember in zwei sogenannten „Action Weeks“ vom Landeskriminalamt Berlin – LKA 253 – in enger Abstimmung mit der für die Verfolgung von gewerbs- und bandenmäßigen Enkeltrick-Betrugstaten zuständigen Abteilung 285 der Staatsanwaltschaft Berlin.
An dem bereits dritten länderübergreifenden Einsatz zu diesem Phänomen seit November 2023 waren täglich bis zu 1.000 Einsatzkräfte beteiligt. Dabei nahmen sie insgesamt 20 Personen auf frischer Tat fest, die mutmaßlich an der Begehung von Enkeltricktaten beteiligt waren – davon sechs Anruferinnen im Alter von 18, 27, 34, 44, 46 und 67 Jahren und fünf Anrufer im Alter von 29, 32, 35, 42 und 45 Jahren sowie drei Abholerinnen im Alter von 18, 23 und 25 Jahren und sechs Abholer im Alter von 18, 19, 27, 32, 30 und 42 Jahren der hochgradig organisierten Banden. Das konsequente gemeinsame Vorgehen führte dazu, dass in Polen drei Callcenter und damit ein erheblicher Teil der Infrastruktur zur Begehung dieser Betrugsstraftaten nachhaltig zerschlagen werden konnte.
Gemeinsam gelang es den Einsatzkräften, 391 Enkeltricktaten und damit einen Schaden von 4.854.500 Euro zu verhindern.
Um an das Geld ihrer Opfer zu gelangen, setzen die vor allem aus der Republik Polen anrufenden Tatverdächtigen (sogenannte „Keiler“) insbesondere darauf, die von ihnen angerufenen Personen – zumeist ältere Menschen – in eine Schocksituation zu bringen und diese durch eine geschickte Gesprächsführung aufrechtzuerhalten. Dafür bedienen sich die Anrufenden einer Legende, besonders häufig dieser: Weinend und mit verstellter Stimme geben sie sich am Telefon als Sohn oder Tochter der angerufenen Person aus und behaupten, bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet zu haben. Anschließend übernimmt ein angeblicher Polizeibeamter oder ein angeblicher Staatsanwalt das Gespräch und behauptet, dass nur durch die Zahlung einer hohen Kaution deren Inhaftierung verhindert werden könne.
Mitunter rufen die falschen Polizisten und Staatsanwälte sogar gemeinsam an, um sich noch dramaturgisch steigern zu können: Dann präsentiert der angebliche Staatsanwalt als letzten Rettungsanker für die angeblich festgenommenen Kinder oder Enkel die Idee, den Richter mit einer hohen Kautionssumme überzeugen zu können.
Wie effektiv die europäischen Strafverfolgungsbehörden beim Thema Enkeltrick zusammenarbeiten, zeigte sich bereits am 21. November und damit noch vor dem Start der eigentlichen „Action Weeks“, als es den Ermittlerinnen und Ermittlern gelang, ein Callcenter in Posen (Polen) zu zerschlagen. Dabei wurden drei Frauen und zwei Männer von den eingesetzten Kräften der Wojewodschaftspolizei Posen in einem Einfamilienhaus, das als Call-Center genutzt wurde, in der Nähe von Posen auf frischer Tat festgenommen. Die Bezirksstaatsanwaltschaft Posen wirft den Festgenommenen vor, sogenannte Schockanrufe in die Schweiz, nach Italien und nach Belgien begangen zu haben. Der von dieser Tätergruppierung verursachte Schaden wird derzeit auf 80.000 Euro beziffert. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen der Kantonalpolizei Tessin und der Wojewodschaftspolizei Posen wurde zudem weiterer Schaden in Höhe von etwa 100.000 Euro verhindert. Noch während der Festnahmen versuchten die
Tatverdächtigen, wichtige Beweismittel in einem Kamin zu verbrennen. Die Einsatzkräfte konnten dies verhindern und in der Folge Mobiltelefone, Schmuck und Bargeld sicherstellen.
Am 5. Dezember 2024 zerschlugen die Ermittlerinnen und Ermittler zwei zuvor in der polnischen Hauptstadt Warschau lokalisierte und örtlich voneinander getrennte Callcenter in einer Wohnung und in einem Hotelzimmer. Einsatzkräfte der Kriminalabteilung der hauptstädtischen Kommandantur in Warschau nahmen in der Wohnung drei Frauen und im Hotel drei Männer fest. Die Ermittlungen ergaben, dass die Festgenommenen arbeitsteilig und hochprofessionell vorgingen. Zunächst ließen sich die Anruferinnen mit weinerlicher Stimme durch die deutschen Opfer als vermeintliche Angehörige erraten. Anschließend übernahm eine weitere Frau die Gesprächsführung, gab sich als Polizeimitarbeiterin aus und verwies auf ein nun folgendes Telefonat, das durch einen angeblichen Staatsanwalt geführt werden sollte. Ab diesem Zeitpunkt übernahmen die festgenommenen Männer, die sich im Hotel befanden, die Gesprächsführung und forderten von den deutschen Opfern Geld für eine angebliche Kaution.
Auf diese Weise wurde eine 74-jährige Frau in Kassel von dieser Bande in betrügerischer Absicht am 4. Dezember 2024 telefonisch kontaktiert und aufgefordert, 21.000 Euro Bargeld, ein Kilogramm Schmuck sowie hochpreisige Uhren der Marken Rolex und Breitling an einen 19-jährigen Abholer zu übergeben. Vorab informierte Einsatzkräfte des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main konnten den Abholer nach der Übergabe auf frischer Tat festnehmen und somit insgesamt einen Schaden in Höhe von etwa 55.000 Euro verhindern.
Der 19-jährige Abholer wurde einem Ermittlungsrichter vorgeführt, der in der Folge einen Haftbefehl erließ.
Bei den Durchsuchungen in Warschau stellten die Einsatzkräfte der Kriminalabteilung der hauptstädtischen Kommandantur umfangreiches Beweismaterial sicher, unter anderem zwanzig Mobiltelefone, sechs Laptops mit vorinstallierten deutschen Telefonbüchern, zwei hochpreisige Uhren sowie Bargeld.
Gegen alle Anruferinnen und Anrufer wurden auf Antrag der zuständigen polnischen Staatsanwaltschaften Untersuchungshaftbefehle wegen Beteiligung an einer organisierten kriminellen Vereinigung sowie wegen Betruges erlassen. Ihnen drohen in der Republik Polen Haftstrafen von bis zu acht Jahren.
Die Auswertung der bei dem Gesamteinsatz sichergestellten Beweismittel und die weiteren Ermittlungen dauern an. Bei ähnlichen Einsätzen konnten daraus in der Regel weiterführende Erkenntnisse gewonnen werden, die zur Aufklärung zahlreicher weiterer Enkeltricktaten in den beteiligten und anderen Ländern führten.
Finanziert wurde der internationale Verbundeinsatz zu einem wesentlichen Teil durch das von der EU geförderte und unter Federführung des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg stehende Projekt ISF-LUMEN (mehr zu LUMEN finden Sie hier).
Einen LUMEN-Teilbereich, der sich der europaweiten Bekämpfung des Enkeltrickbetruges widmet, verantwortet das Landeskriminalamt Berlin (LKA 253). Es organisierte im Oktober 2023 und September 2024 zwei Konferenzen in Potsdam und Teltow, bei denen Vertreterinnen und Vertreter von Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden aus Deutschland und Europa ihr gemeinsames Vorgehen zur Bekämpfung des Enkeltrickbetruges abstimmten. Zu den verabredeten Maßnahmen gehört unter anderem das regelmäßige Durchführen von „Action Weeks“.
Nachfolgend finden Sie einige Hinweise, die zu Ihrem Schutz beitragen können:
- Eine „scheinbar“ bekannte Rufnummer reicht zur Identifizierung eines Anrufers nicht aus. Wenn Zweifel an der Echtheit des Anrufes bestehen, sollte die im Telefondisplay angezeigte Rufnummer notiert werden. Der Anruf sollte anschließend beendet werden und der oder die Angerufene sollte selbst die Polizei unter der 110 anrufen.
- Eine „Kaution“ zur Abwendung einer (Untersuchungs-)Haft gibt es in Deutschland nicht, sondern nur die Möglichkeit einer Haftverschonung gegen eine entsprechende Sicherheitsleistung. Sollten die Angerufenen das Wort Kaution im Gesprächsverlauf vernehmen, so können sie sicher sein, dass es sich bei dem Anruf um einen Betrugsversuch handelt.
- Bereits im Vorfeld kann mit Verwandten und Angehörigen (gegebenenfalls auch Freunden) ein Codewort vereinbart werden, das nur der involvierte Personenkreis kennt. Dieses Wort kann genutzt werden, um zu verifizieren, dass es sich beispielsweise bei der vermeintlichen Tochter auch tatsächlich um die eigene Verwandte handelt.
- Gegebenenfalls kann man sich aus dem Telefonbuch streichen lassen, sodass der Name und die Telefonnummer nicht öffentlich einsehbar sind. Dies erscheint insbesondere sinnvoll, wenn man einen sehr generationentypischen Vornamen trägt, der Rückschluss auf das Alter zulässt.